Im Jahre 2004 präsentierte die AusstellungsHalle unter dem Titel ´Formen der Farbe´ Bilder und Papierarbeiten von Raimer Jochims. Jetzt werden zwei weitere Arbeitsgebiete vorgestellt: Steine und Zeichnungen.

Die Steine kommen aus der Erde und zeigen uns die amorphe Kraft, aus der alles Lebendige wächst; und die Zeichnungen umkreisen die biomorphe Kraft der Pflanzen, Früchte etc., die aus der Erde kommen. Die ´Schattenzeichnungen´ thematisieren die `negative Energie`, das ´Zwischen´ den Dingen.

Im Kabinett knüpfen einige neuere Papierarbeiten an die Ausstellung von 2004 an.


Raimer Jochims,
1935 geboren, Künstler und Kunsttheoretiker, lehrte von 1971 bis 1997 an der Städelschule, Staatliche Hochschule der Bildenden Künste in Frankfurt am Main.

Jutta Zwischenberger
ist Kunstwissenschaftlerin und ausgewiesene Kennerin des Werkes von Raimer Jochims.

Publikationen von Raimer Jochims:
Visuelle Identität, Insel Verlag Frankfurt 1975
Kunst und Identität, edition tertium, Ostfildern 1995
´Farbe sehen´, Parerga Verlag, Bonn Düsseldorf 1998


Leere

Raimer Jochims stellt aus

Irgendeiner muss es ja machen. Zeigen, was die Künstler, bekannte und weniger bekannte, junge oder schlicht
vergessene und solche ohne Galerie und Teilhabe am großen Kunstmarktzirkus in ihrem Atelier so treiben. Und
also ihre Werke, die sonst eher im Verborgenen auf gelegentliche Sammler warten, einem größeren Publikum
vorstellen. Denn "was sollen die machen? Aufhören?" Oft hat sich Robert Bock in den vergangenen zehn Jahren
so oder ähnlich über seine Motivation geäußert, in der Frankfurter Ausstellungshalle Schulstraße 1a ein qualitativ
ebenso anspruchsvolles wie abseits aktueller Moden ganz auf die klassischen Disziplinen konzentriertes
Programm zu gestalten.

Wenn er nun den in Hochstadt lebenden Maler Raimer Jochims vorstellt, dann mag das zwar angesichts der
Prominenz des Künstlers und der fast 30 Jahre, die er an der Städelschule lehrte, fast ein wenig überraschend
scheinen. Als trüge Bock die sprichwörtlichen Eulen nach Athen. Freilich, im Vergleich zu anderen namhaften
Künstlern, die sich gleichfalls ganz bewusst für die wunderbare Halle als Präsentationsort ihrer Arbeiten
entschieden haben, hat Jochims seit seiner Emeritierung nicht eben übermäßig häufig in Frankfurt ausgestellt. Und
das, so zeigt seine inzwischen zweite Einzelausstellung an diesem Ort, ist durchaus bedauerlich. Dass er sich
nun - nach den "Formen der Farbe" vor fünf Jahren - vornehmlich auf die Zeichnung und die vergleichsweise wenig
bekannte Werkgruppe der Steine konzentriert, mag manchen Liebhaber seiner Malerei zunächst einmal verblüffen.

Scheinen doch die behutsam und mit langem Atem bearbeiteten und in organisch anmutende künstlerische Form
gebrachten Findlinge einerseits, die reduzierten, meist ganz aus der Linie entwickelten und überraschend
gegenständlichen Farbstiftzeichnungen andererseits gleichsam quer zu stehen zu seinem malerischen Werk. Doch
umgekehrt wird ein Schuh draus. Im Grunde verhalten sich Zeichnung wie skulpturale Arbeiten komplementär zu
den Bildern und den "Formen der Farbe", als drehe sich das ganze Werk unabhängig vom jeweiligen Medium um
eine zentrale, wesentlich philosophisch und mithin vom Naturbegriff bestimmte Achse.

Mehr noch, für Jochims, der im nächsten Jahr seinen 75. Geburtstag begeht, sind seine in Grau- und Brauntönen, in
zartem Rosé und Gelb und Weiß schillernden Steine im Kern "eine Art der Malerei". Und in der Tat ist sein Denken,
der Umgang mit dem Material dem des Malers, des Zeichners auch näher als dem des Bildhauers. "Ich sehe eine
Form, wenn ich die Zeichnung in ihr sehe", hat er einmal in seinen "Arbeitsnotizen" festgehalten. Und weiter: "Bei
den Zeichnungen nach der Natur darf die Ähnlichkeit nicht überwiegen, da unser visuelles Begehren diese
Waagschale immer schon belastet. Überwiegen muss die Überraschung, die Einfachheit und Leere."

Und diesem Ziel, so zeigen die poetisch-zarten Blätter, kommt er immer wieder auf merkwürdig berührende Weise
nahe. Dass Jochims, der Naturphilosoph unter den Farbfeldmalern, mit der Öffnung der weiten Fensterfronten der
Ausstellungshalle zur Umgebung einen Raum von leuchtender Klarheit geschaffen hat, erscheint dabei seinem
Werk mehr als nur adäquat. Zugleich aber lässt die mit Bedacht gewählte Inszenierung keinen Zweifel. So nah
auch Jochims beim Versuch, ihr Wesen in künstlerische Form zu fassen, dem Mysterium der Natur zu kommen
trachtet: Es gibt den Raum der Kunst, und es gibt ein Außen. Und hier und da ein Fenster.

Christoph Schütte

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.05.2009, Nr. 113, S. 50