Kai Teichert

 

So mäandern die Gedanken

von Ulrich Clewing

 


 

Seltsame Dinge geschehen in Kai Teicherts Bildern. Ein Pandabär balanciert auf einem großen grünen Ball. Mit etwas Phantasie: die Erdkugel. Beobachtet wird der Bär dabei von einer Schildkröte in einer Vitrine. Die Vitrine steht auf einem neobarock geschwungenen Tischchen, auf ihr ein schwarzer Panther, der vor sich hin döst. Rechts davon ein kugelrunder Kaktus, in einem Blumentopf.

Dann sieht man einen Mann in Blau, er hält ein buntes Tuch vor sich, während er sich einem zweiten Mann zudreht. Der zweite Mann ist nackt, hat einen Hund an der Leine, der Hund betrachtet Andy Warhols "Marilyn" -das Bild lehnt verkehrt herum an einem Kinderwagen. Dies und noch einiges mehr spielt sich ab in einer weiten, leeren Ebene - flaches Land, an dessen Horizont Himmel und Erde sich berührten. Eine Bühne?

Der Titel des Gemäldes jedenfalls gibt keinerlei Aufschluß: Er lautet schlicht "6 (Panda)".

Man könnte es sich einfach machen und Kai Teichert als späten Wiedergänger des Surrealismus abtun. Aber: Etwas in diesen Bildern sträubt sich - gegen vorschnelle Urteile, gegen Einordnung. Sicher liegt da eine beschwingte, perlend leichte, traumbildhafte Stimmung in und über den Gemälden, verstärkt durch die kunstvoll skizzenhafte Malweise, die dem Ganzen den Anflug eines spätbarocken venezianischen Capriccios gibt.

Doch letztlich stellen Teicherts Bilder vor allem die Frage, wie eine Erzählung überhaupt funktioniert. Es ist das Prinzip der Verkettung: So wie das Auge über die Leinwand streift, so mäandern die Gedanken von einer Szene zur nächsten. Erscheint jede einzelne für sich genommen erklärbar, wird aus der Addition irritierende Vielstimmigkeit. Aus Sinn wird Unsinn, eine Kakophonie der Plausibilitäten, die sich irgendwann ins Absurde gesteigert hat - nur wann genau war das?

 

"Blühende Landschaften"

von Christoph Bannat

 


 

Wenn in Kai Teicherts Bildern auf einem Tapir geritten wird, hat dies weder einen praktischen Nutzen, noch einen bestimmten symbolischen Wert, Es dient lediglich dem angenehmen Zeitvertreib. Seine Tiere stammen aus jener Beziehungswelt, wie sie zwischen Mensch und Hund existiert. Hunde als stumme, geduldig wartende Gefährten des Menschen, wie sie beispielsweise von Velazquez oder Cranach gemalt wurden.

Doch nicht nur die Begegnung von Tier und Mensch, sondern auch das menschliche Miteinander ist in seinen Bildern von einer weitabgewandten Unschuld bestimmt. Das klingt zunächst nach paradiesischen Zuständen - wären nicht alle seine Wesen in einer Art autistischer Genügsamkeit gefangen. Selbst nackte, satyrhafte Zwitterwesen oder teuflische Aliens scheinen hier ihrer Wirkung beraubt und geeint in einem Zustand von Langeweile, ähnlich der unbestimmt andauernden Drehpause eines Fellini Films, bevor das bunt kostümierte Völkchen wieder an den Set muß.

Diese Bilder skizzieren einen Moment, in dem das Drehbuch der Geschichtsschreibung kurz aussetzt, um den Blick auf den poetischen Formenreichtum ziellosen Treibens freizugeben. Szenen, die in einer unwirtlichen Landschaft spielen. Einer Landschaft, in der dem Gedanken eines arkadischen Lebensentwurfs kein Anhaltspunkt geboten wird, die einzig als Bühne dient, auf der Mensch und Tier schutzlos zwischen Himmel und Erde stehen. Ein prä-oder postparadiesischer Schwebezustand, bevor die Tiere wieder im Zoo und die Menschen in der Stadt - oder beide zusammen auf einer Arche Platz finden.

Assoziationen an"Wachturm"-Illustrationen aus den Heften der Zeugen Jehovas beugt Kai Teichert mit malerischer Unschärfe vor - einer erregenden Ungenauigkeit, mit der er sein verspieltes Gesellschaftsbild zusätzlich auflädt. Bilder, in denen, so scheint es, die Menschen Urlaub von ihrem alten Ego genommen haben. Bilder, die Lust auf Vielfalt jeglicher Lebensform machen.

Während Kai Teichert in seinen Gemälden eine phantastische Welt zusammenstellt, sind seine Porträtbüsten in der Jetztzeit verhaftet. Ganz real und sehr privat.

In drei bis vier Wochen, während mehrerer Sitzungen, wird aus Ton das Porträt geformt. Wenn die Büste ausgehöhlt, getrocknet und mit Leinöl eingelassen ist, wird sie mit Ölfarbe bemalt. Bei diesem Vorgang begibt Kai Teichert sich auf eine Gratwanderung feiner Nuancierungen zwischen Hautton, Make Up, Anstrich, Oberflächenstruktur und Körperbeschaffenheit. Ein blaß gepudert kalter Hautton erscheint ätherisch entrückt und der lustvoll bronzebraune Oberkörper wie eine bodenständige Behauptung.

Keines seiner Modelle wird karikiert. Vielmehr legt er mit seinen Porträts die Masken der Zeit in ihrer Vielschichtigkeit offen. So hat die Mitfünfzigerin, bei allem Realismus der äußerlichen Verfallserscheinungen, noch den koketten Glanz ihres Mädchengesichts in den Augen. Und die stadtbekannte Szenekünstlerin sieht bei Kai Teichert ungewöhnlich privat und empfindsam zart, mit leicht verweintem Ausdruck in die Welt. Man sagt Liebe mache blind, hier jedoch ist es der Blick des Liebenden, der im Gegenüber das "erste Gesicht" (und viele Augenblicke mehr) zu entdecken vermag. Verrätselt - und klar zugleich - offenbaren diese Porträts das verborgene Wahre und Geheime im Leben der Porträtierten.

Und betrachtet man die Gesamtheit der Büsten, so bilden diese wieder eine Gesellschaft, eine imaginäre Großfamilie, ein buntes Völkchen vom Set des Lebens.



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[Kai Teichert]