Beutezüge durch die Geschichte der Moderne
Einzelpositionen: Die 1A-Ausstellungshalle in Frankfurt
präsentiert eine vielfältige Gruppenschau junger Malerei
Von Nikolaus Jungwirth
Die nach der Hausnummer "1A" benannte Ausstellungshalle
in der Frankfurt-Sachsenhäuser Schulstraße ist kein
herausgeputzter Loft, sondern der nüchterne Zweckbau einer
ehemaligen Wäscherei. Seine Kargheit ist ein Vorteil,
welcher der aktuellen Ausstellung zugute kommt. Denn das neutrale
Ambiente lässt die Eigenheiten der gezeigten
Bilder besonders deutlich hervortreten, zumal auf eine
übergeordnete kuratorische Inszenierung verzichtet wurde
Die Skala der versammelten malerischen Positionen reicht vom
Ungegenständlichen - etwa einem von schwarz-weißen
Strukturen überzogenen Bild Edwin Schäfers - bis zu
realistischen Darstellungen, wie einem von Blüten umkränzten
Porträt des Boxeridols Muhammad Ali und einer großen Sitzenden
von Pili Madariaga. Dazwischen gibt es Arbeiten
von Uwe Groß, in denen Abstraktes und Gegenständliches
ineinander verwoben ist, oder dem Informel nahe stehende
Bilder, wie die Franziska Kneidls oder Cristina Herradas'. Andere
Arbeiten - wie die von Christian Walter - wiederum
scheinen von psychedelischen Visionen beeinflusst, oder sie geben
sich mystisch, wie die nächtliche Ansicht eines
Hauses von Corinna Mayer.
So weckt die Ausstellung Erinnerungen an unterschiedliche
Stilentwicklungen der Vergangenheit. Ein Großformat von
Andreas Gundermann erscheint gar wie ein Beutezug quer durch die
Geschichte der Moderne. Stilelemente von
Picasso bis Max Ernst sind hier intelligent und nicht ohne Ironie
zusammengemixt.
Bemerkenswert ist, dass es sich hierbei nicht um Produktionen
altgedienter Veteranen der Malerei handelt, die an einer
einmal gefundenen Arbeitsweise festhalten. Vielmehr sind dies
alles neue Bilder zumeist junger Künstlerinnen und
Künstler, die von der in letzter Zeit neu entflammten Lust am
Malen erfasst wurden, ohne dass dieser aktuelle Trend eine
neuartige Ausdrucksweise für sie im Angebot bereithielt.
Leichtigkeit und Mühe
Unterschiedlich sind die Methoden, derer sich die Künstler für
die Wiedergabe eines realistischen Abbilds bedienen.
Chunqing Huang verwendet für die Darstellung einer im Wasser
planschenden Person eine flotte impressionistische
Malweise. Viel Mühe hat sich Karsten Kraft mit einem männlichen
Akt gegeben. Aber die aufgewendete Anstrengung ist
allzu ersichtlich. Sie lässt die Figur steif und die Malweise
schwerfällig erscheinen.
Hingegen ist ein großformatiges Bild von Justine Otto ein
Beispiel für die souveräne Behandlung eines realistischen
Motivs: Eine Schar Kinder flüchten in das Geäst eines Baums,
unter dem ein Rudel gefährlich aussehender Hunde lauert.
Diese Szene mit den in komplizierten Körperhaltungen
dargestellten Figuren ist mit lockerem, aber entschiedenen Gestus
wiedergegeben.
Eine ausgefallene Idee hat Bertram Schüler umgesetzt: In seiner
Parodie auf ein Rokoko-Wandbild wimmelt es vor einem
zarten Tiepolo-Himmel von unzähligen mythologischen Figuren mit
einem Blitze schleudernden Gott-Vater im Zentrum.
Das Panorama der Vielfalt dieser Ausstellung spiegelt die
aktuelle Situation der Kunstentwicklung: Zahllose
Einzelpositionen,
aber kein aus der Gegenwart erwachsener Stil.
1A-Ausstellungshalle, Schulstraße 1A: bis 2. April, Mi./Do.
18-20 Uhr, Fr.-So. 14-18 Uhr. www.ausstellungshalle.info
Text: Frankfurter Rundschau, 23. März 2006
Landschaft, Porträt, Abstraktion
"Neue Bilder" in der Frankfurter Ausstellungshalle
Von Christoph Schütte
Die triumphale Rückkehr der Malerei war schon, die neue
Romantik, scheint es, hat sich mittlerweile auch erledigt,
und so mag sich der Kunstbetrachter hin und wieder bange fragen,
ob er nicht den aktuellen Trend gerade eben wieder
mal verpaßt. Oder auch, schlicht und fast schon altmodisch auf
Nachhaltigkeit bedacht: Was bleibt von alledem?
Denn jenseits aller Kunstmarktmoden hat wenigstens der Künstler
keine Wahl. Und geht im besten Fall einfach seinen
Weg. Wenn nun Robert Bock in der Frankfurter Ausstellungshalle
Schulstraße 1a mit einer lapidar "Neue Bilder" beti-
telten Schau 20 höchst unterschiedliche malerische Positionen
vorstellt, dann darf man das also durchaus programma-
tisch verstehen.
Schließlich hat der Kunsthistoriker die ehemalige Waschhalle
immer schon als Angebot verstanden an ein am aktuellen
Kunstgeschehen in all seiner Vielfalt mehr als an schnellen
Trends interessiertes Publikum. Und an die hier lebenden
und arbeitenden Künstler, um sie auf diesem Weg zu begleiten.
Wie lohnend, aber auch wie notwendig ein solcher An-
satz ist, zeigt sich besonders angesichts jener unbeirrt an
Pinsel, Farbe und Leinwand festhaltenden Künstler, die in den
vergangenen Jahren schon mehrfach hier ausgestellt haben. Andreas
Gundermann etwa oder Chunquing Huang, die,
motivisch immer noch im Hallenbad zu Hause, sich doch malerisch
mehr und mehr freizuschwimmen trachtet; oder
Pili Madariaga, die nun, da ihre Porträts nicht mehr vorwiegend
Freunde und Bekannte zeigen, zu einer lockeren und
großzügigeren Malweise gefunden hat. Und auch Karsten Kraft hat
sich offenbar mit neuem Schwung entschieden und
konzentriert sich, nach großformatigen Landschaften und dem
einen oder anderen Ausflug in die Abstraktion, wieder ganz
auf sein Herz- und Lebensthema: die menschliche Figur. Konsequent
ihren Weg geht auch Justine Otto, deren Malerei
sich immer schon durch ihr narratives Potential auszeichnete. Die
merkwürdigen Zwischenwelten aber, die Kinder und
pubertierende Mädchen auf ihren Bildern nach wie vor bewohnen,
erscheinen zwar zunehmend komplexer, aber auch
mehr und mehr prekär; der Verlust jenes einzigen Paradieses, aus
dem wir nach Jean Paul nicht vertrieben werden kön-
nen, der Kindheit also, hier mag man ihn schon einmal erahnen.
Landschaften etwa von Cristina Herradas oder Susanna Ortiz
markieren den Übergang zu den tendenziell gegenstands-
freien Positionen, etwa den immer wieder faszinierenden
Bildwelten Franziska Kneidls oder der jungen koreanischen
Künstlerin Nayon Lee, deren poppig-bunte und vom Comic
inspirierte Malerei in Lack auf Holz in der Ausstellung einen
auffallend dynamischen Akzent setzt. Und nicht zuletzt ist es mit
Edwin Schäfer ein vorwiegend graphisch arbeitender
Künstler, der sich auch auf Leinwand zu behaupten weiß.
Freilich, wer die wuchernden, sich in die unbegrenzte weiße
Fläche fressenden Strukturen seiner Wandarbeiten kennt, dem muß
selbst das gewaltige Format zu klein, zu eng er-
scheinen für die abstrakten Welten, die Schäfers grenzenlose
Bilder zeigen.
Bis 2. April Mittwoch und Donnerstag von 18 bis 20 Uhr sowie
Freitag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. März 2006