Was Konrad Hasse seine Lupe, ist Nadja
Bauernfeind ihr Besenstiel. Sie malt überdies pleinair
mit breitem Pinsel, während er seine haarfeinen
Miniaturen im stillen Kämmerlein entwickelt. Und was
hier vor allem expressiv, dynamisch und voller
Spontaneität aussieht, gibt sich dort introvertiert,
meditativ und ganz auf den sich selbst genügenden
Prozess konzentriert. Unterschiedlicher könnten die
zeichnerischen Temperamente kaum sein, die Robert Bock
derzeit in der Frankfurter Ausstellungshalle 1A
(Schulstraße) vorstellt. Zwei Positionen, die sich,
sieht man von der ausschließlichen Konzentration der
Künstler auf das Medium ab, nur in einem, allerdings
höchst bemerkenswerten Punkt berühren: ihrem geradezu
anachronistisch anmutenden Vorgehen.
Die staunenswerte Konsequenz freilich, mit der sie ihre
Kunst betreiben, zeichnet beider Werk gerade aus. Bis zu
einem halben Jahr etwa arbeitet der 1962 geborene Hasse
an jedem einzelnen der dichten Blätter, setzt in beinahe
manisch zu nennendem Prozess Punkt an Punkt und Linie an
Linie unter der Lupe mit dem Tuschestift zu vom Zentrum
das Papier erobernden Verdichtungen, Formen und
Verläufen. Sie überfordern ob ihrer Feingliedrigkeit,
Akkuratesse und Detailliertheit das Auge - und versetzen
den Betrachter beinahe in psychotische Zustände, wenn
gleichsam aus dem Nichts und scheinbar völlig
absichtslos inmitten der abstrakten Wucherungen mal
florale Motive, dann Landschaftsformationen und immer
wieder Monster und Figuren aufzusteigen scheinen.
Nadja Bauernfeind dagegen, die bei Dieter Lincke und
Manfred Stumpf an der Offenbacher Hochschule für
Gestaltung studiert hat, liebt seit jeher das große,
mitunter gewaltige Format für ihre meist gegenständlich
bleibenden Tuschzeichnungen, obgleich sie auch
abstrahierende, pulsierend dunkle Räume auf deutlich
bescheideneren Papieren erstellt. Doch im Vergleich
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mit
den früheren, gleichfalls draußen entstandenen
stadträumlichen Arbeiten, mit den dynamisch-dichten, von
Zeitungsfotos inspirierten "Katastrophen" auch,
bleibt die eine oder andere der aktuellen, meist im
Vordertaunus entstandenen Landschaften doch seltsam
blass.
Dabei ist der expressive Gestus kaum zurückgenommen,
bleibt sie wie eh und je ganz dem Schwarzweiß
verpflichtet und zeichnet sie immer noch mit meist
breitem, an einen Besenstiel appliziertem Pinsel spontan
und vor der Natur auf die auf Wiese oder Ackerboden
ausgebreiteten Papiere. Doch mancher ihrer Blicke über
hügelige Felder oder Streuobstwiesen, auf den Altkönig
oder in die Mainebene ist vergleichsweise brav und
konventionell.
Bauernfeinds "schwarzer Frühling", so der
Titel der Ausstellung, hat vorwiegend heitere Seiten.
Dass die 1963 in Frankfurt geborene Künstlerin neue
Herausforderung überzeugend zu bewältigen und in
kraftvolle, über den Moment hinaus sich behauptende
Bilder umzusetzen weiß, zeigen derweil jene Arbeiten, in
denen sie einen ungewöhnlichen, meist engeren Ausschnitt
wählt. Der "schwarze Frühling" dieser
bemerkenswerten Zeichnerin muss also zum Glück für den
Betrachter noch lange nicht zu Ende sein.
schü.
Die Schau in der Frankfurter Ausstellungshalle
Schulstraße 1A ist bis 29. Mai mittwochs und donnerstags
von 18 bis 21 Uhr sowie freitags bis sonntags von 14 bis
18 Uhr geöffnet. Am 29. Mai ist ein Finissagenfest um 20
Uhr.
KULTUR Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.05.2008, Nr. 116, S. 50
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