Daniel Beer
Licht, Schatten und Bewegung
Zyklus "infinite action".
 

Eigentlich muss man das nicht wissen. Dass sich Daniel Beer lange mit Tanz und Ballett beschäftigt hat, dass er in der Leipziger Oper ein und aus ging und in Dresden die Kunst von William Forsythe entdeckte. Dass der 1972 geborene Künstler, der in Mainz, Dresden und Berlin studiert hat, sich von der klassisch gegenständlichen Bildauffassung aus erst allmählich, Schritt für Schritt, der Abstraktion angenähert hat. Dass, wie er sagt, das Einzige, was ihn an der gegenständlichen Malerei jetzt noch interessiere, die menschliche Figur sei. Denn all das kann man, wenn nicht sehen, so doch erahnen, spüren und beinahe körperlich begreifen inmitten des Reigens seiner aktuellen Bilder, die zurzeit in der Frankfurter Ausstellungshalle Schulstraße 1a zu sehen sind.

Dabei sind die vertikal organisierten Leinwände nichts als Malerei, ist nichts zu sehen von Tütü, Tüll und Spitzenschuh, und die Körper, wenn man die diffusen, in Auflösung begriffenen oder sich zusammenfügenden Figuren seiner Bilder als solche deuten will, bestehen aus nichts als aus weißen Linien, scheinbar spontanen Gesten und energisch gesetzten Pinselhieben auf tiefschwarzem Grund. Und doch lässt sich der vage, flüchtige, sich ganz unvermittelt einstellende und angesichts der entfesselten Form auf den ersten Blick geradezu alberne Gedanke an Degas, an Körper im Dreiklang aus Licht, Schatten und Bewegung, so schnell nicht mehr vertreiben.

Beer aber geht es um mehr und auch um etwas anderes, wenn er die "Harmonie des Bildes" als eines seiner Ziele formuliert. Voller Dynamik sind diese meist nass in nass gemalten Ölbilder, voller Spannung und von einer Lust am Prozess der Malerei beseelt, die geduldige Vorbereitung und Sicherheit der Mittel

 

verrät. Beer, der vor einem Jahr sein Atelier in der Leipziger Baumwollspinnerei geräumt hat, um sich im heterogenen, diskursiven und kaum als geschützte Kunstoase durchgehenden Frankfurt neu zu orientieren, nähert sich seinem Thema ganz klassisch über Hunderte von Zeichnungen und Studienblättern. Um sich dann, nach Klärung der theoretischen Fragen, mit Verve in die Malerei zu stürzen.

Dann aber, so zeigt der seither entstehende Zyklus "infinite action", gibt es für den Künstler kein Halten mehr. Und es ist kaum zu übersehen, dass er mit seinem Thema noch lange nicht fertig ist. Nach und nach erst kommt Farbe zum klaren, puristischen Schwarzweiß hinzu, glühen Rot und Violett und Aubergine, scheint hier eine weitere Tänzerin der ekstatischen Solistin beizuspringen, dort das Duo sich wieder aufzulösen, während die Formate groß und größer werden. Und doch sind sie, selten genug bei einem noch recht jungen Maler wie Beer, mitunter immer noch zu klein, um die Dynamik und das Verhältnis der entfesselten Figur im Raum zu fassen. Wo es glückt jedoch, wo Ziel und Thema dieser virtuosen Malerei zusammenfallen, da mag man angesichts der Bilder spüren, was Nietzsche meinte, als er im "Zarathustra" formulierte: "Wer aber seinem Ziele nahe kommt, der tanzt."

Die Schau in der Frankfurter Ausstellungshalle Schulstraße 1a ist heute von 14 bis 18 Uhr und am Mittwoch von 18 bis 20 Uhr zu sehen.

CHRISTOPH SCHÜTTE

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung,
23.11.2008, Nr. 47, S. R4