Vielleicht sollte Robert Bock seine
Ausstellungshalle auch nachts öffnen. Für eine Weile
wenigstens. So lange, um genau zu sein, wie die aktuelle
Schau mit Arbeiten von Michael Kolod und Emil Siemeister
in der Schulstraße 1A zu sehen ist. Zwar könnte das
angesichts zweier, auf den ersten Blick sehr
unterschiedlicher und lediglich auf der Ebene des
Materials, bezüglich des Interesses an Transparenz auch
und vor allem hinsichtlich der Bedeutung des Lichts
miteinander verbundener Positionen zu einem durchaus
gewagten Unterfangen werden. Aber Siemeisters mit
Nachtleuchtfarbe auf durchsichtiger Transparentfolie
ausgeführter und von einer astronomischen Abhandlung aus
dem 10. Jahrhundert inspirierter Zyklus "Traité des
étoiles fixxes d'Al-Sufi" leuchtete, in einer
"Blackbox" statt im "White cube"
vorgeführt, buchstäblich in einem anderen und dem
Gegenstand auf ganz wunderbare Weise adäquaten Licht.
Allein, Siemeisters durchaus heiter zu nennendes
"Spiel", wie er die eigens für die Ausstellung
entstandene Folge nennt, hat nichts gemein mit
Sternenguckerei, auch wenn des Nachts die Bilder einem
psychedelisch umnebelten Blick in den weiten Himmel
gleichen mögen.
Und wiewohl ihm eine mittelalterliche Grafik aus dem
wissenschaftlichen Kompendium, mit Kugelschreiber auf
gewaltiges Format vergrößert, als Ausgangsbasis seines
eigenen "Traité" dient, geht es ihm um eine
neuerliche, wenn auch zeitgenössisch gewendete
Illustration dieser Abhandlung über die Fixsterne
zuallerletzt. Vielmehr geht es dem burgenländischen
Künstler, der nach Anfängen im Umfeld des Wiener
Aktionismus vor allem mit Zeichnungen auf Nylon und
Folie, mit Performances, Video- und Filmarbeiten und
nicht zuletzt mit Chemikalienbildern auf Röntgenfilmen
auf sich aufmerksam gemacht hat, zunächst um
Dekonstruktion; um die scheinbar zufällige Fokussierung
auf einzelne Punkte, Linien, Formen, Kürzel, um die
Auflösung des Gegenstands und um das Zerfallen eines
Bildes in Fragmente, die für sich auf nichts mehr zu
verweisen scheinen, kurz: um nichts als den
künstlerischen Prozess. |
Dagegen kreisen die objekthaften Bilder
Michael Kolods, die in einem reizvollen Dialog mit
Siemeisters konzeptuell an den Experimentalfilm
erinnernden Zeichnungen zu sehen sind, zuvörderst um
eine Erweiterung des Malereibegriffs. Doch im Vergleich
etwa zu den gleichfalls schon in der Frankfurter
Ausstellungshalle gezeigten Arbeiten seines einstigen
Lehrers an der Städelschule, Raimer Jochims, fällt
seine Beschäftigung mit "shaped canvas", seine
Auseinandersetzung mit Bild und Fläche, Farbe und Raum,
Schatten und Licht noch einmal radikaler aus. Stets sind
es alltägliche Materialien wie Eisenbänder, Vogelnetze,
Teer und immer wieder schlichte Folien, die er zu
räumlich gedachten Architekturen wendet und mal
scheinbar nachlässig, mal verdichtend, hier monochrom
und dort zu harmonisch komponierten Farbklängen
koloriert.
Dass es dem 1951 geborenen Künstler immer auch um
Naturwahrnehmung geht, scheint dabei offensichtlich.
Kolods daraus resultierende Objekte aber sind nicht
Darstellung, sondern Bilder. Malerei also, freilich, wie
der Künstler selbst seine Kunst charakterisiert, mit
anderen Mitteln. Das Ergebnis indes ist kaum anders als
malerisch zu nennen: oszillierende Farbkörper, die sich
mit ihren Schatten zu Farbräumen im wörtlichen Sinne
weiten und in denen sich Pigmente, Lacke oder schlichtes
Weiß auf unvorhergesehene und immer wieder neue und
verblüffende Weise verhalten.
Die Schau in der Frankfurter Ausstellungshalle
Schulstraße 1A ist bis 23. September mittwochs und
donnerstags von 18 bis 20 Uhr, freitags bis sonntags von
14 bis 18 Uhr geöffnet.
Kultur Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2007
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