Vogelnetze, Folien, Teer
Michael Kolod und Emil Siemeister in der Frankfurter Ausstellungshalle 1A
Von Christoph Schütte, Frankfurt

Vielleicht sollte Robert Bock seine Ausstellungshalle auch nachts öffnen. Für eine Weile wenigstens. So lange, um genau zu sein, wie die aktuelle Schau mit Arbeiten von Michael Kolod und Emil Siemeister in der Schulstraße 1A zu sehen ist. Zwar könnte das angesichts zweier, auf den ersten Blick sehr unterschiedlicher und lediglich auf der Ebene des Materials, bezüglich des Interesses an Transparenz auch und vor allem hinsichtlich der Bedeutung des Lichts miteinander verbundener Positionen zu einem durchaus gewagten Unterfangen werden. Aber Siemeisters mit Nachtleuchtfarbe auf durchsichtiger Transparentfolie ausgeführter und von einer astronomischen Abhandlung aus dem 10. Jahrhundert inspirierter Zyklus "Traité des étoiles fixxes d'Al-Sufi" leuchtete, in einer "Blackbox" statt im "White cube" vorgeführt, buchstäblich in einem anderen und dem Gegenstand auf ganz wunderbare Weise adäquaten Licht. Allein, Siemeisters durchaus heiter zu nennendes "Spiel", wie er die eigens für die Ausstellung entstandene Folge nennt, hat nichts gemein mit Sternenguckerei, auch wenn des Nachts die Bilder einem psychedelisch umnebelten Blick in den weiten Himmel gleichen mögen.

Und wiewohl ihm eine mittelalterliche Grafik aus dem wissenschaftlichen Kompendium, mit Kugelschreiber auf gewaltiges Format vergrößert, als Ausgangsbasis seines eigenen "Traité" dient, geht es ihm um eine neuerliche, wenn auch zeitgenössisch gewendete Illustration dieser Abhandlung über die Fixsterne zuallerletzt. Vielmehr geht es dem burgenländischen Künstler, der nach Anfängen im Umfeld des Wiener Aktionismus vor allem mit Zeichnungen auf Nylon und Folie, mit Performances, Video- und Filmarbeiten und nicht zuletzt mit Chemikalienbildern auf Röntgenfilmen auf sich aufmerksam gemacht hat, zunächst um Dekonstruktion; um die scheinbar zufällige Fokussierung auf einzelne Punkte, Linien, Formen, Kürzel, um die Auflösung des Gegenstands und um das Zerfallen eines Bildes in Fragmente, die für sich auf nichts mehr zu verweisen scheinen, kurz: um nichts als den künstlerischen Prozess.

Dagegen kreisen die objekthaften Bilder Michael Kolods, die in einem reizvollen Dialog mit Siemeisters konzeptuell an den Experimentalfilm erinnernden Zeichnungen zu sehen sind, zuvörderst um eine Erweiterung des Malereibegriffs. Doch im Vergleich etwa zu den gleichfalls schon in der Frankfurter Ausstellungshalle gezeigten Arbeiten seines einstigen Lehrers an der Städelschule, Raimer Jochims, fällt seine Beschäftigung mit "shaped canvas", seine Auseinandersetzung mit Bild und Fläche, Farbe und Raum, Schatten und Licht noch einmal radikaler aus. Stets sind es alltägliche Materialien wie Eisenbänder, Vogelnetze, Teer und immer wieder schlichte Folien, die er zu räumlich gedachten Architekturen wendet und mal scheinbar nachlässig, mal verdichtend, hier monochrom und dort zu harmonisch komponierten Farbklängen koloriert.

Dass es dem 1951 geborenen Künstler immer auch um Naturwahrnehmung geht, scheint dabei offensichtlich. Kolods daraus resultierende Objekte aber sind nicht Darstellung, sondern Bilder. Malerei also, freilich, wie der Künstler selbst seine Kunst charakterisiert, mit anderen Mitteln. Das Ergebnis indes ist kaum anders als malerisch zu nennen: oszillierende Farbkörper, die sich mit ihren Schatten zu Farbräumen im wörtlichen Sinne weiten und in denen sich Pigmente, Lacke oder schlichtes Weiß auf unvorhergesehene und immer wieder neue und verblüffende Weise verhalten.



Die Schau in der Frankfurter Ausstellungshalle Schulstraße 1A ist bis 23. September mittwochs und
donnerstags von 18 bis 20 Uhr, freitags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Kultur Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2007